Ratgeber, Wächter, …? Was künstliche Intelligenz in Smart Buildings bringt
Künstliche Intelligenz (KI/AI) kombiniert mit dem Internet der Dinge (IoT) bietet enorme Potenziale und beflügelt die Fantasie: Oft möchte man meinen der Mensch stünde kurz davor, sich selbst überflüssig zu machen oder gar abzuschaffen. Doch in der Praxis ist man davon – mit allen positiven und negativen Folgen – noch weit entfernt.
Anhand dreier Beispiele aus dem Smart Building Bereich, möchten wir praxisnahe erklären, wie künstliche Intelligenz konkret – jenseits des Hypes –, zur Optimierung eingesetzt werden kann: nicht als selbst denkendes und selbst handelndes Überwesen, sondern als ein effizientes Werkzeug, das es Menschen ermöglicht vielfältige Aufgaben einfacher oder besser zu erledigen.
Es ist mir wichtig zu betonen, dass gerade durch die Zusammenarbeit von Menschen und KI sehr erfolgreiche, neue Konzepte, ganz besonders im Internet der Dinge, entwickelt werden können.
Die unermüdliche Wächterin:
Anomalieerkennung
Die künstliche Intelligenz wird niemals müde, sie schläft niemals, ihr wird auch niemals langweilig und sie wird niemals schlampig. Setzen wir sie also ein, um Anlagen Tag und Nacht zu überwachen.
LineMetrics überwacht mit KI die Belüftungsanlage eines großen Gebäudes. Das Verhalten der Anlage wird mit verschiedenen Sensoren erfasst. Beispielsweise werden der Stromverbrauch mehrerer Komponenten, der Druck vor den Filtern sowie Vibrationen aufgezeichnet. Nachdem mehrere Wochen lang Daten gesammelt worden waren, wurde ein neuronales Netz (in diesem Fall ein LSTM = Long Short Term Memory) mittels Machine Learning so trainiert, dass es das normale Verhalten der Belüftung erkennt.
Das bedeutet, das neuronale Netz weiß in welchem Bereich Strom, Druck und Vibrationen liegen, wenn die Anlage eingeschalten ist, in welchem wenn sie ausgeschalten ist, wie typisches Verhalten beim Einschalten bzw. ein typischer Ausschaltvorgang aussieht oder welche markanten Muster im normalen Betrieb auftreten.
Kurz gesagt, das neuronale Netz erlernt all das, was sich auch ein Mensch merken würde, der sich eine Zeit lang die Messwerte dieser Sensoren anschauen würde.
Für neu einlaufende Sensordaten wird nun überprüft, ob sie dem Verhalten, das die AI durch Machine Learning erlernt hat, ähnlich sind. Falls die Abweichung vom erlernten Verhalten zu groß ist wird eine Anomalie erkannt und ein Alarm ausgelöst.
Sie wissen wahrscheinlich ungefähr, welche Geräusche Ihr Auto macht, wenn alles in Ordnung ist. Wenn Sie nun ein Geräusch entdecken, das Ihnen unbekannt ist, wissen Sie, dass wohl eine Werkstatt aufgesucht werden sollte. Das ist ziemlich genau das gleiche wie Anomalieerkennung durch Artificial Intelligence.
Welchen Nutzen liefert dieses System?
- Kleine Veränderungen am Verhalten einer Anlage können frühe Hinweise auf einen Fehlerfall liefern. Durch die rechtzeitige Wartung kann ein ungeplanter Stillstand verhindert werden.
- Die Artificial Intelligence nimmt einem Mitarbeiter die Arbeit ab, in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren. Die Abstände zwischen Routineüberprüfungen können wesentlich verlängert werden, wenn detaillierte Informationen über den Zustand der Maschine oder des Geräts vorliegen.
- Doch warum sollte man hier auf künstliche Intelligenz setzen? Kann man ein solches Problem nicht auch über einige Schwellwerte lösen? Ja, das ist ein berechtigter Einwand. Ein enormer Vorteil einer Anomalie-Erkennung durch ein neuronales Netz ist allerdings, dass sich niemand Zeit nehmen muss, um den korrekten Wertebereich von Daten, Flankenhöhen oder sonstigen Parametern zu analysieren und in ein System einzugeben. Die künstliche Intelligenz erlernt dies selbstständig.
Die kluge Ratgeberin:
Fault Classification
Wenn in einem Kühlhaus die Temperatur plötzlich über einen bestimmten Grenzwert steigt, kann das viele Ursachen haben: von einer unabsichtlich offen gelassenen Tür bis zu einem ernsthaften Schaden an der Kühleinheit. In so einem Fall ist es wichtig, sehr schnell zu reagieren und die Ursache des Temperaturanstiegs zu ermitteln.
Fault Classification bzw. Condition Monitoring mittels KI löst dieses Problem. Ein neuronales Netz kann so trainiert werden, dass es mehrere – vorher definierte – Fehlerfälle unterscheiden kann. Für neu einlaufenden Messwerte kann dann beurteilt werden, ob sie einem der definierten Fehlerfälle zuzuordnen sind.
Bemühen wir wieder den bereits oben erwähnten Vergleich mit einem Auto: Produziert ein Auto unübliche Geräusche kann ein erfahrener Mechaniker oftmals anhand dessen eine recht gute Vermutung abgeben, wo das Problem liegen könnte. Fault Classification ist genau das gleiche: Die KI errechnet eine Vermutung, welche Ursache ein Fehlerfall haben könnte.
Welchen Nutzen liefert dieses System?
- Falls ein Fehlerfall eintritt, können Sie viel schneller reagieren.
- Viele mögliche Fehlerfälle können damit ohne die Unterstützung von geschultem Personal erledigt werden.
- Wenn sich ein Fehlerfall erst nach und nach anbahnt, das komplette Versagen des Geräts also nicht gleich eintritt, kann durch Fault Classification noch rechtzeitig ein benötigtes Ersatzteil bestellt werden oder der zuständige Techniker gerufen werden.
Die weitblickende Späherin:
Predictive Maintenance
Um den Tag vorhersagen zu können, an dem ein Verschleißteil versagen wird, brauchte man bis vor kurzem noch eine erfahrene Hellseherin mit teurer, hochpräziser Kristallkugel. Heute erledigt das die künstliche Intelligenz für uns. Predictive Maintenance, bzw. konkreter Remaining Useful Life Estimation, sind Realität geworden.
LineMetrics überwacht im Hochregallager eines großen, internationalen Versandzentrums in Deutschland die Vibrationen der Rollen der Regalbediengeräte. Das sind jene Fahrzeuge, die durch das Lager fahren und die Waren transportieren. Bevor das System produktiv in Betrieb gehen konnte, wurden die Vibrationen von Rollen in verschiedenen Verschleißzuständen aufgezeichnet. Mit diesen Daten wurde ein neuronales Netz, in diesem Falle ein CNN (Convolution Neural Network), so trainiert, dass es aus den Vibrationen eine Schätzung erstellt, wann das Bauteil das Ende seiner Lebenszeit erreicht haben wird.
Denken Sie wieder an ein Auto: Bevor ein Verschleißteil das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat, verursacht es normalerweise Geräusche und Vibrationen. Ein erfahrener Mechaniker kann anhand dieser Geräusche recht gut abschätzen, wie dringend das Teil zu tauschen ist bzw. wie lange es noch verwendet werden könnte. Das beschriebene AI System funktioniert ganz ähnlich.
Welchen Nutzen liefert dieses System?
- Wenn über den realen Zustand eines Verschleißteils keine Information vorliegt, muss das Bauteil nach einer bestimmten Betriebszeit getauscht werden (Preventive Maintenance). Diese Zeitspanne ist üblicherweise so festgesetzt, dass jene Teile, die der allergrößten Beanspruchung ausgesetzt sind, gerade das Ende Ihrer Lebenszeit erreicht haben. In der Praxis ist es aber oft so, dass viele Bauteile noch länger verwendet werden könnten.
- Wenn der Wartungstermin laufend aus dem Zustand eines Bauteils errechnet wird, können Bauteile vielfach wesentlich länger verwendet werden. Das spart Kosten für Ersatzteile und Arbeitszeit.
- Dadurch, dass der Zustand von Geräten laufend automatisiert kontrolliert wird, kann der Abstand zwischen Routineüberprüfungen wesentlich vergrößert werden, was Arbeitszeit spart.
- Ein ganz wichtiger Nutzen von Predictive Maintenance Technologie ist natürlich, dass ungeplante Stillstände von Geräten und Anlagen verhindert werden können bzw. Wartungstermine besser geplant werden können.
Welche Geräte und Anlagen in Gebäuden kann Künstliche Intelligenz überwachen?
Die nachfolgende Aufzählung soll nur einige Beispiele für Geräte und Anlagen geben, die durch künstliche Intelligenz überwacht werden können. Die Bandbreite an möglichen Einsatzfeldern ist wohl beinahe unerschöpflich.
- alles was mit Belüftung, Gebläsen oder Klimaanlagen zu tun hat
- Rolltreppen und Liftanlagen
- automatische Tore und Türen
- Jalousien und verstellbare Beschattungen
- jede Art von Antrieb oder Elektromotor
Welche Messwerte sind besonders gut geeignet?
Für geeignete Messwerte gilt das gleiche wie für die zu überwachenden Geräte: Auch hier ist die Bandbreite sehr groß. Die Aufzählung liefert nur einige Beispiele, die in der Praxis oft verwendet werden:
- Vibrationen und Geräusche
- Strom, Anlaufstrom
- Druck
- Temperatur
- Durchfluss von Flüssigkeiten oder Gasen
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesem Artikel einige Denkanstöße für bereits jetzt realisierbare Anwendungsfälle geben konnten. Klar ist dennoch, dass die Verbindung von Smart Building, Facility Management und Artificial Intelligence in den nächsten Jahren noch zahlreiche wahnsinnig spannende Entwicklungen hervorbringen wird. Wir stehen erst am Anfang!